Angenehm und Unangenehm einmal anders

In einer der Lehrreden des Buddha heißt es:

Sieh im Unangenehmen das Angenehme und im Angenehmen das Unangenehme.

Ist das nicht eine verkehrte Weltanschauung? Da der weise Lehrer nichts gesagt hat, was unsinnig war und was zu unserem Leid geführt hätte oder uns Schmerz und Schaden zugefügt hätte,  ist es angebracht, seine These genau zu betrachten.

1.) Was versteht man unter „angenehm“? Doch wohl alles was mir wohl tut; was ich mag und von dem ich möglichst mehr haben will. Es kann zu Freude führen – aber auch zu gierigem Verlangen. Mit aller Energie versuche ich meistens, mir meine Wünsche zu erfüllen. 

Unangenehm“ ist dagegen alles was mich stört, was ich nicht mag und was mir auch nicht wohl tut. Es macht mich ärgerlich oder traurig und ich will es loswerden. Oft kämpfe ich jahrelang um etwas oder vielmehr gegen etwas. Es führt gewöhnlich zu Hass und auch manchmal zu Gewalt.

2.)   Wofür soll die Umkehrung gut sein? Da fallen mir die Nörgler ein, die in allem Schönen und Guten immer noch etwas Negatives, etwas Unangenehmes sehen. Sie können sich nicht freuen,  werden aber auch kaum süchtig nach dem Angenehmen?

Buddha, der Erwachte, wollte, dass wir nicht im schwarz – weiß Urteilen stecken bleiben. Fixierte Ansichten fixieren auch unsere Gefühle, Emotionen und Reaktionen. Er fordert uns auf, in allen Lagen die Realität zu sehen, offen zu sein für das, was wirklich gerade ist oder geschieht. Aus dieser Sicht entsteht Verständnis für den Gegenpart und für sich selbst. Gier,  Hass und Ichsucht, die unseren Geist und damit unser Leben vergiften, werden deutlich verringert. Wir könnten ruhiger und friedlicher mit uns und anderen umgehen.

3.) Wie kann man diese Erkenntnis erlangen? Wie macht man es? Es wird empfohlen die Vergänglichkeit auf beiden Seiten zu sehen. Was ich unbedingt haben will, weil es mir so großartig und begehrenswert vorkommt, verliert mit der Zeit aus gesellschaftlichen und modischen Trends und den technischen Neuerungen seine Attraktivität. Die zukünftigen Veränderungen in dem Objekt und in meinen Gefühlen mir vor Augen zu führen, macht mich offener und bereit, vom gierigen Bestreben loszulassen . Das Angenehme festhalten zu wollen, ist Dummheit, da es wie alles in der Welt dem Gesetz der Unbeständigkeit unterliegt. Es immer weiter vermehren zu wollen, ist noch törichter, weil es zu Unersättlichkeit führt  und damit eine ständige Unzufriedenheit produziert.

Im Unangenehmen das Angenehme zu sehen scheint nur für Masochisten zu gelten. Dabei ist es berechtigte Zuversicht, weil ja nichts so bleibt wie es gerade ist. Außerdem zeigen sich, wenn man genau hinschaut, verschiedene Aspekte, die man nutzen kann. Wie alles in der Welt liegt das Gesetz der Substanzlosigkeit darin, d.h. dass es aus Vielem zusammengesetzt ist, weder vollkommen einheitlich noch ewig bleibend. Man könnte es letztendlich als „leer“ bezeichnen.

Wenn wir diese Grundgefühle d.h. angenehm und unangenehm unvoreingenommen betrachten, werden wir erkennen, dass in jedem auch etwas vom Gegenteil enthalten ist.

4.) Was ist das Resultat?                                                                                                      Lösen wir uns mal von dem Schwarz- Weiß-Sehen, dann werden wir nicht so schnell urteilen und verurteilen.  Unser Geist wird klarer und ruhiger und geneigt, sich weise zu besinnen anstatt automatisch und unkontrolliert zu bewerten.  Wir werden vorsichtiger, achtsamer und lassen uns von heftigem Verlangen und ebenso heftigem Abwehren nicht überrumpeln. Wenn wir nicht mehr auf unserer fixierten Meinung, unserem Rechthaben, bestehen, sondern das Andere, als unangenehm Empfundene, in gleicher Weise berücksichtigen, wird Verständnis und Mitgefühl möglich. Indem wir beide Seiten beachten, erweitern wir unser Denken, Sprechen und Handeln und fühlen uns in jeglicher Gemeinschaft besser aufgehoben. Flexibel mit den eigenen Gefühlen umgehen zu können, ist ein großer Wert und wohl auch ein Kunst, die nach Buddhas Weisung erlernt werden kann.

Meine EIGENE Erfahrung möchte ich hier widergeben.                                                       Wie manche von Euch wissen, hatte ich im Herbst 2013 einen Unfall, bei dem ich mir beide Arme brach. Es war unzweifelhaft unangenehm. Ich war komplett aus dem Verkehr gezogen, konnte über zwei Monate lang kein Seminar mehr geben. Das hat mich erstaunlicherweise kaum interessiert. Es war genau die Auszeit, die ich mir ansatzweise schon geplant hatte – aber etwas anders. Mein Denken wurde voll in Anspruch genommen, wie ich die normalsten Tätigkeiten wie essen und trinken, Zähne putzen und den Körper reinigen, vom Liegen aufstehen und mich zudecken ohne Armbeteiligung bewerkstelligen könnte. Zeit hatte ich genug, besonders nachts, um meine Gedanken zu Kreativitätsübungen zu trainieren. Schwestern und Ärzte wunderten sich über meine Möglichkeiten, mit meinen Füßen, Beinen, Kopf und Zähnen  die meisten  Verrichtungen selbständig machen zu können. Wie habe ich da meiner körperlichen Beweglichkeit durch Yoga gedankt, meiner geistigen Kreativität durch Achtsamkeit und meiner Akzeptanz durch die buddhistische Lehre!                              Was ich allerdings auch gelernt habe, war Hilfe zu erbitten und dankbar anzunehmen.

Natürlich war es äußerst unangenehm, nachts im Viererzimmer, aber vor allem wegen der schlechten Lage im Bett mit den „gefesselten“ Armen nicht schlafen zu können. Zu meinem Glück konnte ich aufstehen;  und so ging ich herum von einer schlafenden kranken Frau zur nächsten und schickte ihr Wünsche für gutes Wohlergehen und Heilung. Das war nicht so leicht wie beim Metta in der Meditationsrunde. Einfacher war es, allen Therapeutinnen, Schwestern und Ärzten im Geist meine große Dankbarkeit auszudrücken.

Einzigartig hilfreich und aufbauend war meine Sangha. Sie kamen täglich meine Dhamma-Freundinnen und Freunde und kümmerten sich liebevoll um mein Wohlergehen. Dass ich meine Arme in drei Monaten wieder gebrauchen konnte, (mein Chirurg prophezeite mir neun Monate) habe ich sicher den aufgezählten vielen positiven Umständen zu verdanken.

Mein Unglück war im Grunde ein Geschenk für mich.

Seitdem bin ich wieder ganz fit und gebe mit Freude Unterricht und halte längere Kurse. Was mir durch meine Erfahrungen im Krankenhaus jetzt schneller gelingt, ist eine andere Sicht von angenehm und unangenehm. Ob es von außen bedingt ist oder von einer Stimmung; ich versuche das Unangenehme anzunehmen und etwas Vernünftiges daraus zu machen; über das Angenehme freue ich mich und da ich seine Kurzlebigkeit kenne, genieße ich es.

Hier die Hausaufgabe an Euch:

1.) Das Angenehme oder Unangenehme als solches zu identifizieren. 2.) Das Gegenteil daran oder darin aufzudecken.  3.) Diese Erkenntnis positiv einzusetzen für die äußere Situation oder das innere Verhalten. 4.) Sich der guten, aufbauenden Wirkung bewusst sein.

Viele Möglichkeiten und ebenso viele gute Resultate wünscht Euch herzlich  Eure alte Ursula

 

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