Die rechte Mitte oder der ausgeglichene Mensch

An drei Aussagen des Buddha möchte ich die rechte Mitte eines spirituellen Menschen aufzeigen:

1. Die Ansicht über das Karma

2. Den mittleren Weg

3. Die Mitte durch den Gleichmut.

1. Warum bei den Ansichten über das Karma eine Mitte finden?  

Zu Buddhas Zeiten herrschten vorwiegend zwei entgegengesetzte Lehren über das Karma. Eine Schule besagte, dass das Leben der Menschen determiniert sei; niemand könne den Gang seines Lebens bestimmen und auch nicht ändern, da alles vorbestimmt sei.

Die andere Lehrweise vertrat die Ansicht, dass alles dem Zufall unterworfen wäre; dass weder von einer höheren Instanz noch vom Menschen selber das Leben geregelt werden könnte. Diesen Lehren entsprechend hat der Mensch keine Möglichkeit, in den Ablauf seines Lebens selbstwirkend einzugreifen. Einerseits bleiben ihm damit die Entscheidungen erspart, was durchaus als eine Erleichterung gesehen werden kann, andererseits ist er vollkommen unfrei. Mein Dasein ist von Anfang an festgelegt – oder alles läuft chaotisch, ohne jede Regel ab! Was gefällt Dir besser?  Niemand kann Dich für irgendetwas verantwortlich machen!

Der Buddha stellte seine Version als dritte Möglichkeit – oder Wahrheit – dar. Er nennt Karma die Absicht eines Menschen, der die Entscheidungen und Handlungen folgen. Die eigene Entscheidung ist somit die Ursache von der Situation, die daraus entsteht. Ständig entscheiden wir etwas Geringes oder schwer wiegendes – nichts geschieht einfach absichtslos! – oder?   Nach dieser Lehre ist der Mensch selbst verantwortlich für sein Schicksal. Es gibt natürlich äußere Umstände, die der Mensch nicht selbst herbeigeführt hat, aber wie er mit der Situation dann umgeht, das unterliegt ihm, das ist seine Verantwortung.

Im Karma ist das Kausalgesetz von Ursache und Wirkung enthalten; die Zufallslehre könnte bei den  äußeren Bedingungen zutreffen, der Determinismus bei den Naturgesetzen; aber der denkende Mensch hat eine besondere Rolle darin; er kann lenken. Sein Verhalten und seine Entscheidungen zu den gegebenen Bedingungen ist sein eigenes Attribut, das ihn prägt und seinem individuellen Leben die Gestalt gibt. – Wie stehst Du dazu? Ich sehe es als die Mitte zwischen Zufall und Determinismus.

2. Die zweite Art spricht die rechte Mitte noch deutlicher an: „Den mittleren Weg“.  Es ist die Weise wie der Buddha selbst den Weg zur Erlösung vom Leid gegangen ist. Nachdem er aus dem Luxus seines Prinzenlebens ausgebrochen war, weil er es als einengend und sinnlos erkannt hatte, glaubte er im rigorosen Gegenteil von Luxus, der Askese, eine Lösung zu finden. Sie brachte ihn dem Tod nah  aber nicht der Befreiung. Das genügsame Leben eines hauslosen Mönches mit der Möglichkeit zur Meditation, zur achtsamen Selbstbetrachtung und zu tiefen Einsichten war die Form, die ihn zum Erfolg führte.

Welche Bedeutung hat der Mittlere Pfad für uns? Wie siehst Du Deine Lebenssituation an? Lebst Du im Luxus? Verglichen mit den Menschen in Afrika, Südamerika oder denen, die in den arabischen Ländern auf der Flucht sind, die nicht genug zum Essen und keine schützende Bleibe haben, sind wir sehr bevorzugt. Sind wir uns dessen bewusst? Wir leisten uns Dinge, die wir eigentlich nicht brauchen, die uns sogar eher belasten. Wir denken zu viel darüber nach, was wir alles noch erwerben könnten. Viele von uns, die sich für einen spirituellen Weg entschieden haben, bevorzugen ein einfaches Leben. Sie haben nicht vor, Mönch oder Nonne zu werden und in ein Kloster zu gehen, sondern suchen nach einem Beruf, der ihnen noch Zeit für ihre spirituelle Praxis lässt. Das ist nicht immer einfach in unserer Zeit der Extreme. Aber es hat sich im Westen eine neue Form des buddhistischen Weges entwickelt, die sich in das Familien- und Berufsleben integrieren lässt. Man könnte es als den westlichen „Mittleren Weg“ bezeichnen. Ein Beispiel dafür ist das „intersein“ von Thich Nhat Hanh. Achtsames Handeln, Sprechen und Denken benötigt keinen Extra Raum; es findet dort statt, wo ich gerade bin, wenn ich mir dessen bewusst werde. Vom Achtsamen zum Heilsamen ist nur ein kleiner Schritt. Indem wir bedenken, was in der jeweiligen Situation heilsam ist, unterlassen wir alles, was den Lebewesen Leid oder Schaden bringt, also unheilsam ist. Auch das lässt sich nicht extrem durchführen, doch finden wir mit etwas Geschick sicher ausgewogene Möglichkeiten.

3. Das dritte Thema für die rechte Mitte bietet sich im Gleichmut an. Wenn wir einem gleichmütigen Menschen begegnen, ist der erste Eindruck vielleicht Ruhe und Distanz. Im wirklichen Gleichmut, der nicht zur Gleichgültigkeit tendiert, kommen viele heilsame Werte zusammen. Die Ruhe muss sich mit Weisheit und Vertrauen verbinden und für die Stabilität muss die Willenskraft sorgen. Gefühle und Aktivitäten stehen in einem guten Verhältnis zu einander und werden von echter Einsicht  geleitet.

Realitätsnah und zugleich mit einer universellen Erkenntnis die Dinge der Welt zu sehen und mit ihnen umzugehen, das scheint mir ein gutes Gleichgewicht zu sein, das Gleichmut genannt werden kann. Ohne die sozialen Kräfte der Zuwendung und Hilfsbereitschaft, ist der echte Gleichmut nicht vollständig. Wohlwollen, Freude, Mitgefühl und Geduld für alle Wesen ist die Krönung des rechten Gleichmutes. Vielleicht ist das unsere innere Mitte?

FRAGEN:

Für was setzt Du Dich in Deinem Leben ein?

Gehört Gelassenheit vielleicht auch dazu?

Die dafür  benötigten Werte kommen nicht von außen; wir entwickeln sie  aus unserem spirituellen Bedürfnis nach Sinn selbst.

Kann das eine (Deine) Lebensaufgabe sein, ein ausgeglichener Mensch zu werden?

Wie siehst Du Dein Karma?

Fühlst Du Dich als Mensch aufgerufen, etwas Gutes, Heilsames für Dich und die Welt zu vollbringen?

Oder lässt Du lieber höhere Gewalten über Dich bestimmen?

Oder versuchst Du hedonistisch das meiste an Sinnesfreuden aus allen Situationen zu ziehen? – Vielleicht eine Mischung?

Sagt Dir der westliche mittlere Weg des Buddha zu?

Findest Du Mittel, Einiges von seiner Lehre im täglichen Leben umzusetzen?

Haben sich achtsame Handlungen und kleine Besinnungspausen in Deinem Tagesablauf etabliert?

Wahrscheinlich hast Du unter „Rechter Mitte“ etwas anderes erwartet. Mir sind diese drei Themen  eingefallen, weil sie realistisch sind und der Buddha sich dazu geäußert hat.

In meinem Buch „Sampada Yoga, ein Arbeitsbuch“ habe ich außer Meditation und Metta den körperlichen Aspekt mit Yoga Übungen hinzugenommen, um den ganzen menschlichen Wirkungskreis in ein Gleichgewicht zu bringen. Es kommt im Waldhaus Verlag im Herbst 2014 heraus.

Mit lieben Wünschen für weitere Sommerfreuden

Eure Wegbegleiterin Ursula

 

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