Weise Besonnenheit und Nachsicht

Meine lieben Wegbegleiterinnen!

Mit herzlichen Grüßen aus Wien!

Hier ist es warm und schön grün und ich genieße die Natur. Die Sorge um zu große Hitze und Dürre, um eine herbstlich neue Corona-Welle und die Kriegsauswirkungen gehen um. Ich versuche, mich davon nicht einschränken zu lassen. Natürlich könnte ich mich mit einem Buch auf die Couch legen  und nur noch fürs Essen und Handy zuständig sein. Das würde man der 94 j. Ursula wohl nachsehen. Aber die macht es nur zwischendurch, sonst ist Yoga, Meditieren, Hausarbeit, Schreiben und  mit Freundinnen und Familie Kommunizieren das, was gerade gilt. Dann ist es Zeit, die nächsten Retreats vorzubereiten. Die Runde Spaziergang morgens und Abends ist mein Verschnauf-Vergnügen, was ich nicht auslasse.

Meine Geduld wird bei den vielen Tätigkeiten auf die Probe gestellt. Ich fühle mich von der Lehrrede über alle Triebe, sabbavasa sutta,  sehr angesprochen. Besonders geht mir der Ungeduldstrieb unter die Haut.

„Da erträgt der Mensch in weiser Besonnenheit Kälte, Hitze, Hunger, Durst, Mücken und Fliegen, boshafte Reden und Verleumdungen und körperliche schmerzhafte Gefühle. – – – Bedrückende, zugrunde richtende Triebe, die bei denen entstehen, die nicht geduldig sind, treten nicht bei denen auf, welche Geduld üben.“ 

Ich frage mich, will ich das überhaupt? Alle lästigen, unangenehmen Störungen geduldig ertragen? Warum? Wie soll das mein Leben verbessern? Zuerst, meine ich, sollte man schlechte Situationen nach Möglichkeit heilsam verändern, nachdem man sie prüfend angesehen hat. Das verlangt schon etwas Ruhe und Erkennen. Dann heißt es aber geduldig zu ertragen, was nicht zu ändern ist, ohne zu Klagen oder Schuldige zu suchen.  

Weise Besonnenheit und Nachsicht werden als Mittel empfohlen. Mit der Achtsamkeit kann ich mich immer wieder bewusst auf das gegenwärtige Tun richten. Auf mich selbst einen Augenblick zurückziehen, bei mir sein, löst das Getrieben-Sein auf, es tut mir gut. „Ursula: Aufstehen-Aufstehen! Gehen-Gehen! Essen-Essen! Putzen-Putzen! Chi-Atmen-Atmen! Füße-Füße! Reden-Reden! Sitzen-Sitzen! – – – Wenn ich innerlich „Sterben-Sterben“ sage und es mir vorstelle, ist das besonders befreiend.  – Aber , wenn es noch nicht soweit ist, dann muss ich aus der geschenkten Lebenszeit etwas Vernünftiges, möglichst Heilsames machen. Um dafür Kraft zu haben, kann ich mich den Störungen nicht zu lange widmen, nehme sie als „unangenehm-unangenehm“ hin. Das gelingt mir ganz gut, wenn ich mir andere Menschen vorstelle, die gerade dieselben Schwierigkeiten haben wie ich- oder Schlimmere. Ihnen schicke ich herzliches Mitgefühl.

Vielleicht ist das die „weise Besonnenheit“: Achtsamkeit, Bewusstsein und Mitgefühl?      

Mit liebender Güte für Euch und alle Wesen grüßt Euch 

Eure alte Ursula 

4 Gedanken zu „Weise Besonnenheit und Nachsicht

  1. Besonders tröstliche Worte liebe Ursula – sie retten meinen Tag , der bis zu Mittag nicht so ganz gelungen war – aber mach einer kurzen Pause mit Deinem Text schreite ich gestärkt in den zweiten Tagesteil …. Alles Liebe
    Deine Carina

  2. Den Dingen geht der Geist voran…..und immer wieder ist er nicht achtsam genug, nicht gegenwärtig genug, um aufgebrachte Gefühle und ohnmächtige Gedanken in einer gemäßigten Sicht zu entschärfen. Die Dimension der Wende, in der wir uns als Menschheit und Erde befinden, ist so groß und umfassend, systemisch und radikal, dass nur Gelassenheit und Klarheit hilfreiche Gefährten sein können im gewaltigen Umbruch. Es geht ja auch darum, Eigenverantwortung zu erkennen und danach zu handeln. Es geht darum, mutig zu sein. Und manchmal frage ich mich, ob Gleichmut viele Gesichter hat. Ein stiller Mensch hat andere Ressourcen als ein temperamentvoller. Er wird nie nur ein stiller Mensch sein, aber nicht minder bewusst oder klar. So also sind die Gefühle zwar immer herausfordernd, wohl ein Leben lang, und dennoch wunderbare Lehrer, Impulsgeber, Mutmacher, Veränderer. Die Schwierigkeit besteht für mich eher darin, mich auf die Welt und die Ereignisse in ihr zu beziehen, also aktiver Teil zu sein und gleichermaßen die höhere Ebene der Betrachtung einzunehmen, die erkennende, nicht reagierende. Dieses Wechselspiel zwischen weltlichem Engagement und spiritueller Gelassenheit ist mitunter schwierig und doch auch wieder ein Ganzes. Und dann stelle ich immer wieder dieselbe Frage: Was bedeutet es tatsächlich, Mensch zu sein? Menschlich zu sein? Geist in einem verletztlichen Körper-Seele Konstrukt, das von Erfahrungen geprägt durch ein Erdenleben zieht, um all das, was es lernt und begreift , durch sein Bewusstsein zu wandeln? Und wenn ich also ein Wesen bin, das vielleicht mehr mit Geduld zu kämpfen hat als andere, welche Ressourcen sind stärker als der Mangel? Dem es oft nicht schnell genug geht, wie gemächlich sich die Klarheit durch den Dschungel der großen Irrtümer frisst, um wachzurütteln……dann merke ich, wie immer wieder die distanziertere unpersönliche Haltung zu den Dingen einen hilfreichen Impuls schenkt, einen anderen Winkel, ein ordnendes Argument, eine Gewissheit, dass alles, was geschieht, eine Ursache und eine Wirkung hat, die sich in der Zeit manifestiert. Die Dinge jenseits der Zeit …die zeigen sich ja nur in der Stille, in die manchmal die Ewigkeit einzieht…..je weniger ich meditiere, desto lauter wird die Welt. Das erscheint mir so! Vor vielen Jahren, mehr als 20, habe ich durch Ursula die wunderbarste Weggefährtin gefunden, die man sich wünschen kann. Im Geist ist sie immer da, ihre Inspirationen, ihre Weisheit, ihre Menschlichkeit! Danke Ursula für alles, was du in unsere Herzen und unseren Geist pflanzt!

  3. Vielen Dank! Diese Worte und Einsichten tun mir heute besonders gut und schenken mir wieder die Gelassenheit, die ich in diesen Tagen in Quarantäne brauche.

  4. Liebe Ursula, von dir habe ich schon mehrfach im Yogajournal gelesen. Ich hoffe es nicht nicht unhöflich, dass ich du sage. Ich bin selber Yogalehrerin und da sind wir alle per du. Meine älteste Schülerin ist 89. Auf jeden Fall habe ich es endlich mal geschafft, auf deine Website zu gehen. Ich muss sagen dieser Text hat mich sehr angesprochen. Diese Mischung aus Besonnenheit und absoluter Bodenständigkeit gefällt mir sehr. Bei so vielen Enkeln ist das auch anders kaum möglich. 😊 Ich wünsche dir noch viele schöne und aktive Jahre und wünsche dir alles Gute. Herzliche Grüße, Ursula

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert