Wegbegleiter Feb.09 FREUDE
Liebe Freundinnen und Freunde, warum sprechen wir überhaupt über Freude. Ist sie
nicht etwas ganz Natürliches für jeden Menschen?
Das scheint nicht so zu sein, wenn man sich die Gestressten, die Grübelnden, die
Nörgelnden und natürlich die Leidenden ansieht.
Kann sich ein Baby nach der Geburt schon freuen? Es schreit, wenn es Hunger hat
oder sich unbequem fühlt – aber es lächelt noch nicht. Das lernt es erst, wenn
die Mutter, der Vater oder eine Pflegeperson es anschaut und anlächelt. Dann ist
bei jedem Anblick der Bezugsperson Freude beim Baby zu erkennen und daran freut
sich dann wiederum der erwachsene Mensch. – Ist Freude also etwas Abgeschautes,
Nachgemachtes?
So mag es sein, dass diejenigen, die als Kleinkind viel Freude empfangen und
darauf reagiert haben, auch späterhin einen leichteren Zugang zur Freude haben
als diejenigen, denen wenig Lächeln und Freude in ihrer frühen Kindheit begegnet
ist.
Darüber hinaus ist es sicher auch genetisch bedingt, ob ein Mensch eher ernst,
nachdenklich oder fröhlich und offen seinen Lebensweg geht.
Meiner Meinung nach hat jeder Mensch den Wunsch, sich freuen zu können, weil es
mit Wohlgefühl und Glück zusammenhängt. Nur fällt es einigen schwerer als
anderen.
Mir sind bei der Freude fünf Rubriken eingefallen:
1. Es macht Freude, ein Geschenk zu bekommen oder eine Hilfe, eine
Unterstützung.
2. Freude daran, anderen ein Geschenk zu geben, anderen zu helfen.
3. Freude an Gemeinsamkeit, Liebe, Austausch von Zärtlichkeiten.
4. Freude am Sein, an den Sinnen, am Leben, an der eigenen Entwicklung.
5. Freude an der Freude, dem Glück, anderer. Mudita
Die ersten drei Arten der Freude sind mit der Wertschätzung unserer Person
verbunden: Wir bekommen etwas, wir können etwas geben – beides ist gut und lässt
eine erfreuliche Gemeinsamkeit entstehen. Je leichter Annehmen und Geben fällt,
umso angenehmer wird das Zusammenleben.
Wenn wir mehr erwarten oder mit Dank und Anerkennung rechnen, dann ist die
Freude nicht mehr ganz rein, sie bekommt Flecken.
Manchmal mag auch eine gewisse Angst mitspielen, dass unser Geschenk nicht
passend ist, die Hilfe nicht genug – auch dann können wir uns nicht rückhaltlos
freuen. Menschen, die nur zögernd Geschenke oder Hilfen annehmen, machen sich
vielleicht Gedanken, was sie dafür zurück geben müssten – oder was auch
vorkommt;
sie fühlen sich nicht der Gaben wert und trauen sich nicht eine Hilfe
anzunehmen.
Wer selbst nicht ohne Hintergedanken anderen etwas geben kann, wird der echten
Gebefreude anderer kaum glauben.
Eine der stärksten Freuden erleben wir im Verliebtsein.
Da uns selbst so viel Positives zukommt, ist es leicht, auch dem Partner zu
schenken.
Leider ist diese Freude meistens nach 6 Monaten schon sehr anfällig. Wenn das
Hochgefühl des Verliebtseins nachlässt, muss eine andere Form der Freude
gefunden werden, eine stillere, akzeptierende, die auch Krisen überdauert.
Die Arten der Freude in 4 und 5 haben nichts mit Anerkennung und
Selbstbestätigung zu tun. Sie sind von der Natur in uns anlegt, auch wenn wir
sie spirituell nennen.
Das bezieht sich darauf, dass sie nicht dem Ego anhaften.
Seine eigene geistig-seelische Entwicklung zu erfahren, kann große innere Freude
auslösen und auch erhalten – und zum Weitergehen motivieren.
In der Begegnung mit Menschen und Naturschönheiten kann uns das lebendige Sein
tief berühren. Woher es kommt? Es muss in uns verankert sein – und wird durch
unsere Sinne berührt und angeregt. Wir nennen es gelegentlich Gipfelerlebnis.
Auch die Meditation kann uns diese Art hoher Freude bieten – aber nur, wenn wir
nicht darauf erpicht sind.
Stille Freuden finden wir immer, wenn wir mit dem was ist einverstanden sind; es
ist die Freude am Zufrieden-Sein.
Sukha ist das Gegenteil von Dukkha – also das Erfreuliche im Leben, das zum
Glück ja auch neben dem Leid besteht; nur verlangt es äußere Bedingungen.
Piti ist die innere Freude, die mit Ergriffenheit zusammen geht und von außen
nicht erzwungen werden kann.
Man kann es lernen, die Augen für die Freude wieder zu öffnen, wenn sich dieses
schöne Gefühl zurück gezogen hat.
Vielleicht hilft es zu erkennen, dass die angenehmen Dinge in unserem Leben
nicht ewig bleiben – aber dass wir sie jetzt dankbar nutzen und uns an ihnen
freuen können.
Was ist denn angenehm, schön und gut? Wir sind es gewohnt und nehmen es als
angemessen, selbstverständlich und verdient an – was wäre, wenn wir es verlieren
würden?
Aufpassen, dass nicht die Angst vor möglichem Verlust die Freude am
gegenwärtigen Haben überdeckt!
Der Buddha rät, das So-Sein im Jetzt voll zu akzeptieren, weil die gegenwärtige
zugewendete Achtsamkeit eine Hilfe für alles ist.
Ist diese Freude minder wert?
Da ist noch die Mit-Freude zu nennen; ohne Neid und Vergleich den anderen ihr
Glück zu gönnen; das ist vielleicht die reinste Freude. Mudita ist selbstlose
Nahrung für das Herz.
Ob Schnee liegt oder die Sonne scheint, ob man arbeitet oder sich ausruht, ob
man mit Menschen zusammen ist oder sich in die Stille zurückzieht — man kann
sich an so Vielem freuen – wenn man die Seite des Erfreulichen bewusst aufdeckt
und annimmt!
Die Möglichkeit dazu liegt in uns; wir können uns entscheiden!
Wir können uns auch mitfreuen, an allem was gut, richtig und schön ist in der
Welt – und Freude an der Freude haben.
Die Krähen sagen mir Guten Morgen und ich schaue ihren Flugkünsten zu:
Einfach Freude –
Eure Ursula