Bescheidenheit

Liebe Freundinnen und Freunde,

Ich lade Euch ein, sich mit mir Gedanken über Bescheidenheit zu machen.

In der Metta-Sutta, der Lehrrede über liebende Güte heißt es zu Beginn:

„Wer nach Weisheit strebt, das Gute wünscht und den Frieden sucht,

Der sei kraftvoll und aufrecht –

Sanft und bescheiden –

Zufrieden und bedürfnislos – – – “

Als Schulkinder hatten wir den Spruch drauf:

„Bescheidenheit ist eine Zier,

Doch weiter kommt man ohne ihr!“

So zeigen sich die Gegensätze.

Was hälst Du von der Bescheidenheit?

Früher d.h. vor dem zweiten Weltkrieg, vielleicht auch noch nachher, wurde man
von den Eltern, Lehrern und Pfarrern zur Bescheidenheit angehalten – gut
erzogene Kinder waren bescheiden, oder hatten es zu sein!

Man lernte, sich zurück zu halten, wenn Erwachsene sprachen, man schränkte sich
ein, wenn es gefordert wurde, man schaute auf die andern, dass auch sie nicht zu
kurz kamen – – –

So sollte es sein!

Mit Druck oder sogar Zwang konnte leider auch eine ungute Bescheidenheit erzielt
werden.

Sie machte die Menschen unterwürfig, verklemmt, zögerlich und selbstverleugnend.

Das Dienerische daran öffnete die Tür zu unbedingtem Gehorsam und zu
Fremdbestimmung.

Zum eigenen Vorteil kann es nützlich sein, sich bescheiden darzustellen, sich
anzubiedern, um mehr heraus zu bekommen. Dann wird eben geheuchelt, und das ist
weit entfernt von echter Bescheidenheit. Als Aushängeschild lässt sie sich auch
verwenden.

Siehe Wilhelm Busch.

Die Selbstkritik hat viel für sich.

Gesetzt den Fall : Ich tadle mich –

Dann hab‘ ich erstens den Gewinn,

dass ich so hübsch bescheiden bin;

Und zweitens denken sich die Leut‘,

Der Mensch ist lauter Redlichkeit.

Am Ende kommt es dann heraus:

Ich bin ein ganz famoses Haus:

Fast das Gegenteil ist Bescheidenheit aus Schüchternheit.

Wenn man ängstlich ist und unzufrieden mit sich selbst, hat man oft nicht den
Mut, zu den eigenen Bedürfnissen zu stehen – und traut sich vielleicht nicht
einmal, eigene Wünsche zu haben. Diese scheinbare Bescheidenheit hat keine
Grundlage, ihr fehlt die Selbstbestimmung.

Was sehen wir als echte Bescheidenheit an?

Ist es wirklich das, was das Sutta beschreibt?

Wenn ich kraftvoll und aufrecht meine Meinung sage, Dinge unternehme, die ich
für richtig halte, und wenn ich sogar gegen Unrecht und Bosheit kämpfe – kann
man das noch bescheiden nennen?

Da ist allerdings der Zusatz „sanft“ – und bescheiden.

Im Sanften liegt Achtsamkeit, Zuwendung und Ruhe und scheint dem Bescheidensein
näher zu liegen als Kraft und Aufrichtigkeit – ich finde gerade dies besonders
interessant, dass diese Gegensätze im Zusammenwirken erst eine echte
Bescheidenheit ergeben.

Ein wirklich bescheidener Mensch ist kein Weichei, sondern ein soziales Wesen,
das gerne hilft, ohne sich vorzudrängen. Der Bescheidene muss nicht im
Mittelpunkt stehen, verleugnet sich aber nicht. Je sicherer jemand zu seinen
Werten und damit zu seinem Selbstwert steht, umso leichter fällt es ihm, sein
Ego zurück zu nehmen

„Zufrieden und bedürfnislos“ sind wohl die Ergebnisse von echter Bescheidenheit
– oder haben sie diese erzeugt?

Ein kleiner Test für die eigene Bescheidenheit:

Bin ich ein höflicher Mensch?

Wie ist das mit meinen Ansprüchen –

Brauche ich viel, um zufrieden zu sein?

Kann ich mich auch an kleinen Dingen freuen?

Strebe ich danach wo es möglich ist, im Mittelpunkt zu stehen?

Kann ich ohne Neid zurücktreten oder im Hintergrund bleiben?

Schweige ich in Diskussionen aus Angst, etwas Falsches zu sagen – oder schweige
ich, weil ich anderen gern zuhöre?

Kann ich Lob und Anerkennung freudig annehmen, ohne mir ein Podest zu bauen?
Oder fühle ich mich unter Druck und glaube nicht an eine Wertschätzung?

Unterstütze ich Leute, die es brauchen, ohne an eine Gegenleistung zu denken?

Kann ich meine Sinnenfreuden zügeln z.B. beim Essen, oder meine ich, dass das
nicht unter Bescheidenheit fällt?

Wie steht es mit Meditation – stören mich vielleicht die Erwartungen und
Ansprüche an mich selbst, ruhig zu werden – bescheiden im Hier und Jetzt nur den
Atem wahrzunehmen?

Echte Bescheidenheit ist etwas sehr Wertvolles und ist auf dem spirituellen Weg
mit Einsicht gepaart. Ein Erleuchteter ist in seiner Klarheit, Liebe und
Weisheit als Ego- loses Wesen durch und durch bescheiden und geht als Bodhsattva
hilfsbereit aber unerkannt seinen Weg.

Mögen wir uns zu bescheidenen Wesen entwickeln.

Mögen wir einfach, leicht und zufrieden unseren Weg gehen.

Mögen wir glücklich sein.

Eure alte Ursula

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