Es geht weiter um das Lüften meiner Geheimnisse. Was wollte Norman, mein amerikanischer Freund, von mir wissen: „What‘s your sekret?“ – wie man alt werden kann ohne 10 Medikamente täglich einzunehmen und ohne ausgefeilte Diät? Oder wie man mit eingeschränkten Sinnesfähigkeiten immer noch Freude am Leben haben kann? – Im September habe ich mein „Bett-Yoga“ im Detail erklärt. Ich hoffe, Ihr macht es seitdem regelmäßig jeden Morgen – und kommt vergnügter aus den Federn! Ihr seid jetzt bei dem Bettserien-Club dabei!
Diesmal geht es um Sinnesfreuden. Das stimmt nicht ganz – es geht mehr darum, wie man sie sich verdient. Denn alles, was man ohne eigene Mühe selbstverständlich bekommt, und was sich gleichförmig so bis zum Ende des Lebens fortsetzt, verliert an Reiz, schenkt wenig oder keine Freude.
Das zweite Geheimnis habe ich dem entsprechend Aufgabe oder Tagesziel genannt. Vielleicht sind wir schnell müde und haben Angst vor Anstrengung (und unsere Kinder, Freunde und Enkel betonen: „ruh Dich nur schön aus!“) Trauen Sie Ihrem Arzt nicht, wenn er Ihnen so viel Bettruhe als möglich verschreibt! Sie können damit zwar Ihr Bett länger warm halten – aber nicht Ihr Leben!
„Was kann ich heute tun?“ Es regt an, sich etwas Positives vorzunehmen und es dann auch durchzuführen. Ob das nun Wäsche waschen heißt, einkaufen, die Küche putzen oder einen Brief schreiben (mit E-Mail ist es noch viel leichter) oder seine Bücher in Ordnung zu bringen – alles gibt einem Aufschwung, wenn man es als gute Aufgabe ansieht und nicht als lästige Arbeit. „Das mache ich jetzt in Ruhe und freue mich, wenn es getan ist“. Das Resultat der Bemühung, die frische Wäsche, die saubere Küche, der selbständige Einkauf und die Ordnung beim Aussortieren der Bücher; alles bekommt einen Wert, wenn ich es achtsam plane und achtsam mache.
Es gab Zeiten, wo ich diese häuslichen Dinge nicht verrichten konnte. Die Arme waren bei einem Unfall gebrochen, ein andermal zwang mich die Arthrose in den Knien, mit Krücken zu gehen. Da war es schon eine Aufgabe, die physiotherapeutischen Übungen regelmäßig durchzuführen und einen Rundgang ums Haus zu machen. Wichtig ist immer – aber besonders im Alter – das anzuerkennen was man „noch“ kann, und nicht darüber zu jammern, was nicht mehr geht. Über jedes Stückchen Freiheit der Selbständigkeit sollte man sich freuen. „You never give up“ meinte Norman mit Kopf schütteln. Im Krankenhaus mit den „gefesselten“ Armen war es das Danken für die Pflege und Bemühungen der Schwestern, Ärzten, Therapeuten und die Freude über die vielen Besuche meiner Freundinnen und Dhamma-Freunden. Meine 90 jährige Bettnachbarin war eine Meckertante, die sich eifrig bedienen ließ aber mit nichts zufrieden war. Da sah ich es als Aufgabe an, ihr sämtliche Vorteile des Gepflegt – Werdens vor Augen zu halten und sie zum Danken anzuregen. Als es um ihre Entlassung ging, wollte sie unbedingt in ihre Wohnung zurück. Arzt und Schwestern meinten, dass es nicht ginge, weil sie sich nicht einmal alleine anziehen könnte. Dann geschah das Wunder; ohne Hilfe holte sie sich ihre Kleidung aus dem Schrank, wusch sich ganz allein und zog sich an. Stolz saß sie dann vor dem Frühstück. Sie lebte richtig auf.
Buddhas Worte stimmen immer: “Den Dingen geht der Geist voran, der Geist entscheidet:“
Meine Schwiegermutter hatte einen tollen Slogan, der sie fast bis 100 Jahre auf Trapp hielt. Er hieß: „Worauf kann ich mich heute freuen“. Nach ihrer Morgentoilette ließ sie sich von Ilse Buck im Radio zu 5 Minuten Turnübungen führen. Als Belohnung machte sie sich ein leckeres Frühstück. Dann wurde das Programm gemacht: Ein neues Buch aus der Bibliothek holen und ein bißchen mit der Bibliothekarin über das letzte Buch plaudern; Frisches Gemüse vom Markt mitbringen und bei den Bekannten vorbei schauen und fragen, ob es am frühen Abend eine interessante Sendung im Fernsehen gäbe. Auf diese Einladung freute sie sich ebenso wie auf das Glas Rotwein, das sie zweimal wöchentlich mit Freunden im Wirtshaus genoss. Mit Hut und dem guten Kleid ging sie auch mit 95 immer noch aufrecht als Dame, trotz ihres sehr bescheidenen Budgets.
Wer sehr jung ist, hat es schwer, sich für den richtigen Beruf und den richtigen Partner, die richtige Partnerin, zu entscheiden. Es gibt zu viele Möglichkeiten der Arbeit und zu unterschiedliche Menschen, um das Richtige für sich auswählen zu können. Das Nahliegende zuerst einmal mit ganzer Achtsamkeit zu tun und sich dann Stück für Stück weiter zu orientieren, wäre für manche ein vernünftiger Anfang (das sagt eine Großmutter ihren Enkeln). Geht man schon auf die 50 zu, und ist mit seinem Beruf nicht zufrieden, dann sieht die Sache anders aus. Wenn irgend möglich, sollte man die Zeit für die Routine Arbeit verkürzen und dafür etwas Neues, Anregendes suchen, sich vielleicht einen lang gehegten Wunsch erfüllen? Ich bin davon überzeugt, dass in uns viele Fähigkeiten schlummern, an die wir nicht glauben – oder nicht den Mut haben, sie zu wecken und auszuprobieren. Warum nicht versuchen?
Juan Ramon Jimenez: „Lass den Tag nicht verstreichen, ohne ihm ein großes oder ein kleines Geheimnis abzuringen. Dein Leben sei achtsam, jeder Tag eine Entdeckung…“
ÜBUNGEN: Ja, probiere etwas aus; nur muss es neu und ungewohnt sein. Z.B. Grüße die Leute, mit denen Du zusammen kommst, nicht mit den gewohnten Worten, sondern mit andern, vielleicht sogar aus einer fremden Sprache??? Traust Du Dich???
Zweite Anregung: Geh mal 20 Schritte langsamer als normal. Sage rechts-links 1 > rechts-links 2 > rechts-links 3 bis 20 und dann geht es weiter im gewohnten Tempo.
Noch ein Vorschlag: jedes Mal, wenn Du nach Hause kommst und die Tür hinter Dir schließt, sage „DANKE“. Es ist doch erfreulich und auch tröstlich in der eigenen Wohnung anzukommen anstatt irgendwo anonym in einem Krankenhaus zu landen. (Was mir z.B. passiert ist).
Katja, meine Freundin, bestätigt mir mit Begeisterung, dass so kleine Extras unsere Gehirnzellen anregen sich neu zu gestalten und dass der Abteilung für Wohlbefinden neue Energien zufließen, wenn wir unsere Arbeiten achtsam und gerne verrichten. Sie ist Immunologin und hat auf den verschiedenen Gebieten der Hirnforschung gearbeitet. Also: wenn es doch so einfach geht >>> lasst uns unserem Gehirn etwas Förderliches antun!
Eure Wegbegleiterin Ursula