Ansichten

Liebe Freundinnen und Freunde!

Ansichten und Meinungen sind geistige Konstrukte, auf die wir uns beziehen, um
eine solide Lebensberechtigung zu haben.

Sie geben uns eine Form und bauen unseren Eigenwert auf.

Wer keine klare Meinung hat, den halten wir für charakterlos.

Was genau sind diese Ansichten?

Verschiedene Worte sagen Ähnliches aus: Meinungen, Standpunkte, Ansichten,
Vorstellungen,

Blickweinkel, Anschauung, Auffassung. Diese Ausdrücke beziehen sich alle auf die
Geistestätigkeit.

Woher stammen diese Ideen?

Wir haben sie ja irgendwo her. Eine wichtige Rolle spielt unsere Erziehung,
Schule, Ausbildung und Gesellschaft, die zum großen Teil unser geistiges
Potenial bilden. Eindrucksvoller zeigen sich aber Erlebnisse und Dinge, die wir
mit unseren Sinnen aufgenommen und die sich uns eingeprägt haben.

Natürlich kommt der Hauptanteil zur Meinungsbildung von unserem eigenen
Denkvermögen. Aber dem liegt gewöhnlich eine bestimmte Denkungsart zugrunde.

Auch wenn eine Meinung zu etwas als gerade neu Gedachtes in Erscheinung tritt,
stammt sie doch aus einer geist-seelischen Grundstruktur. Ansichten und
Standpunkte scheinen stabiler zu sein; vielleicht sind es verfestigte Meinungen.
Um seine besondere Persönlichkeit zu definieren, grenzt man sich von anderen
Menschen, d.h.von anderen Meinungen ab.

„Das ist MEINE Ansicht“.

Woraus bestehen meine individuellen Ansichten?

Sind es Überlegungen? Setzen sie sich aus all dem zusammen, was ich gelesen,
gehört, gesehen habe? Ist es das Gelernte in der Schule, im Studium, im
Elternhaus oder das Erlebte im Umgang mit Menschen, mit meiner Gesellschaft, mit
der Welt? Sind meine Ansichten kulturell bedingt?

Kann es nicht auch eine einzigartige eindrückliche Erfahrung gewesen sein, die
mich zu diesem speziellen Standpunkt gebracht hat?

Was bezweckt unser Geist mit seinen Ansichten?

Sie scheinen uns Sicherheit zu geben, einen festen Stand in der Welt, selbst
wenn es sich um Muster handelt, die uns und anderen nicht gut tun.

Ein Experiment in deiner Fantasie:

Du bist in ein Gespräch verwickelt. Schau dir selbst zu, wie du dir schon deine
Meinung dazu bildest und die Antwort überlegst, während die andere Person
spricht. Versuche dich zu hören, wenn du antwortest. „Meine Meinung ist … /
aber das kann meiner Ansicht nach nicht stimmen …/darin stimme ich ganz
überein / …da habe ich meinen besonderen Standpunkt …“

Was ist daran verkehrt?

In der buddhistischen Lehre heißt es, dass fast alle Ansichten verkehrt wären!
Warum?

Weil wir unsere Ansichten, je öfter wir sie äußern oder denken, zu einer
Wahrheit erheben, an der nicht gerüttelt werden darf. Wir fixieren sie;
zementieren sie zu festen Überzeugungen! „Das ist richtig – das ist falsch!“
„Ich habe recht!“

Warum ist das für uns so wichtig?

Wir wollen unser ICH mit unseren Ansichten bestätigen, festigen, gegen andere
absichern.

Gegensätzliche Standpunkte empfinden wir als Bedrohung. Stimmen andere unseren
Vorstellungen zu, so fühlen wir uns unterstützt und wohl und schließen mit den
Gleichgesinnten Freundschaft, Andersdenkende grenzen wir aus oder bekämpfen sie.

Was entsteht daraus?

Wir sehen in der Welt überall Streit,Unrecht,Gewalt,Krieg und in unserem nahen
Umfeld Probleme in der Familie, zwischen Partnern, am Arbeitsplatz, selbst bei
sozialen und religiösen Organisationen. Dem alleinigen „Recht Haben zu Wollen“
scheint eine große Macht inne zu wohnen.

Worin liegt die Gefahr?

Ansichten an sich sind für einen gesunden Geist etwas ganz Natürliches, nichts
Negatives.

Es ist die Fixierung, das Unveränderliche eines Standpunktes und damit gleich
laufend die Fixierung des Ichbildes. Sobald man sich mit der Ansicht
identifiziert und das Mein in den Vordergrund rückt, wird sie zur ichsüchtigen
Fessel. Freies Erwägen und Offenheit anderen Aussagen gegenüber wird damit
unterbunden, was das eigene Denken und Empfinden einschränkt; den Blickwinkel
immer enger werden lässt.

Vielleicht kennen wir die Auseinandersetzungen, die aus dem Rechthaben entstehen
und nicht selten zu Entzweiung und Scheidung führen?

SAMMA DITTHI heißt RECHTE ANSICHT oder rechtes Denken.

In der buddhistschen Lehre umfasst das Rechte Denken alles, was als echt und
heilsam erkannt und erlebt wird. Es geht nicht um Eine Wahre Ansicht, sondern
immer wieder zu prüfen, was zu diesem Zeitpunkt, in dieser Situation, wirklich
vorsichgeht. Alte Vorstellungen müssen überdacht und revidiert werden. So
entsteht ein fließender Denkprozess, welcher der Lebendigkeit des Daseins und
aller Beziehungen angepasst ist. Daraus entstehen umfassende Erkenntnisse und
eine Schau der Daseins-Realität, wie sie wirklich ist; was wir Wahrheit nennen
könnten.

FRAGEN ZU ANSICHTEN

Auf welchem Gebiet habe ich feste Ansichten?

Welche Standpunkte helfen mir zur eigenen Orientierung? … zur eigenen
positiven Entwicklung?

d.h. werde ich freundlicher, offener, ruhiger, verständnisvoller, motivierter?

Mit welchen Ansichten handle ich mir Schwierigkeiten ein?

… mit meiner Familie, Partner-in? mit Kolleg-innen? mit Freunden? mit Fremden?

d.h. werde ich rücksichtsloser, unempfindlicher, verschlossener, unglücklicher?

Liegen die auftauchenden Probleme an meinen eigenen Standpunkten oder an denen
anderer Personen?

Muss ich mich um die Meinungen derer kümmern, mit denen ich zu tun habe?

Ist es immer nötig und ehrlich, den eigenen Standpunkt darzulegen.

Ist Schweigen manchmal ratsam oder unehrlich?

(Lehrrede „Reden und Schweigen“)

Woran kann ich ermessen, ob meine Ansicht heilsam oder unheilsam ist?

Mache ich mir die Mühe, zu erfahren, ob ich mit meiner Ansicht

bei einem Gesprächspartner negative oder positive Eigenschaften auslöse?

Liegt mir mehr am Recht-Haben oder an einer spirituellen Entwiclung?

Alles Gute und Helfende wünscht Euch herzlich Eure Wegbegleiterin Ursula

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