Neubeginn

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

aus dem Rheinland, wo ich bei meinen Töchtern und Enkelkindern körpernah
Freuden, Trauer und Ärgernisse mitbekomme, grüße ich Euch in diesem Neuen Jahr
ganz herzlich.

Großartig feiern wir jedes Jahr den neuen Anfang mit Feuerwerk, Tanz und
Geselligkeit.

Warum feiern wir Sylvester, das Ende? Sind wir froh, dass wir es überstanden
haben?

Warum feiern wir den Neujahrstag? Setzen wir besondere Hoffnungen in diesen
neuen Lebensabschnitt?

Wie gehen wir denn wirklich in dem Neuen Jahr weiter? Sind wir nicht die
gleichen Gewohnheitstiere, nur mit einigen guten Vorsätzen, die bei Gelegenheit
und passender Zeit durchgeführt werden sollen? Ändert sich dadurch etwas?

Im ZEN wird vom Anfängergeist gesprochen.

Damit ist eine aufmerksame, offene Haltung in allen Lebenslagen gemeint. Ist
dies eine zusätzliche Aufgabe in unserem anstrengenden Tagesablauf?

Im Gegenteil!

Geistiges Aufwachen wird deutlich im Dhammapada Vers 21 angesprochen.

„Wachheit der Pfad zum Todlosen

Schlaffheit der Pfad zum Tode ist.

Die Wachen sterben nimmermehr,

Die Schlaffen sind den Toten gleich.“

Steven Batchelor hat dieses Pali-Wort „appamada“, Wachheit mit, „CARE“
übersetzt.

In Deutsch habe ich den Begriff „fürsorgliche Wachsamkeit“ vorgeschlagen.

Mir scheint das Aufwachen in der Gegenwart das Wesentliche für wirkliche
Lebendigkeit zu sein, wie auch ein offenes Verständnis für mich und die Dinge um
mich herum, und dazu gütige, mitfühlende Hilfsbereitschaft.

Aufwachen muss man jeden Morgen neu, um den Tag erleben zu können.

Man kann auch jeden Moment aufwachen und ihn als einen Neuen betrachten. So
ergeben sich ständig Chancen für eine neue Sicht und neue
Entscheidungsmöglichkeiten.

Neu heißt immer wieder unvoreingenommen anfangen.

Die Vergangenheit müssen wir hinter uns lassen, um nicht belastet in das Jetzt
einzutreten. Allerdings sollten wir die Einsichten aus vergangenem Tun und
Geschehen als Korrektur-Grundlagen mitnehmen – nicht in Erinnerung an den Dingen
selbst hängen bleiben!

Vergangenem Schönem und Erfreulichem trauern wir oft nach anstatt es mit Liebe
und Dank abzuschließen. Den erfahrenen Wert sollten wir uns als Wertzuwachs
zuschreiben und nicht als Verlust buchen.

Unangenehmes, was man noch nicht verdaut hat, trägt man meistens lange als
Verletzung mit sich herum. Da wäre es gut sich zu fragen: „Sehe ich den Groll
dahinter?“

Die Verletzung ist eine Wunde, die wir dem generellem Dukkha der Welt
zuschreiben könnten – aber Wunden heilen nur, wenn wir Heilung zulassen. Der
Groll gegen die Verursacher ist wie das ständige Aufkratzen der Wunden, so dass
sie bluten und schmerzen. – Jetzt ist es Zeit, der Wunde Heilsalbe in Form von
Beruhigung aufzustreichen und einen Verband des Mitgefühls herum zu legen.

Schuldgefühle können eine bedrückende Last sein. Es wird die Vergangenheit auf
den Schultern ständig weiter getragen, obwohl der Fehler schon lange zurück
liegt. Warum? Wahrscheinlich ist man mit sich selbst unzufrieden, weil man
Fehler gemacht hat, oder weil das gewünschte Ergebnis nicht dabei heraus
gekommen ist? – Wie kann man sich davon befreien? Getan bleibt getan – aber man
kann es vielleicht an dem Geschädigten wieder gut machen – wenn nicht an diesem,
dann stellvertretend an einem anderen Wesen.

Reue zu spüren und zu zeigen, ist eine ganz natürliche gute Reaktion. Das
Wichtigste ist aber das umfassende Erkennen des Fehlers und wie es dazu gekommen
ist, um die unheilsame Tat nicht zu wiederholen.

Wenn wir die Vergangenheit nicht mehr wie einen schweren Sack mitschleppen, sind
wir offen und frei für gegenwärtiges Tun und Erleben. Abgestorbene Zellen werden
vom Körper automatisch ausgestoßen, da sie bleibend das ganze Organsystem
vergiften würden.

Genau so geht es uns mit den abgestorbenen Gedanken und Gefühlen.

Wenn wir wirklich im Hier und Jetzt leben, geben wir ihnen die Chance zu
zerfallen, was sowieso ihrer Natur entspricht.

Vielleicht ist es aber die Zukunft, die uns wie eine Spinne in ihrem Netz
gefangen hält.

Wir leben in Vorstellungen, was alles auf uns zukommen könnte. Wünsche, Ängste
und Sorgen nehmen viel Raum in uns ein und rauben uns enorme Kraft, die wir im
tätigen Moment des Jetzt nutzbringend einsetzen könnten.

Für manche ist es das Aufschieben von unangenehmen Dingen, was ihnen täglich
Druck und anwachsende Qual bereitet. Wer sich dann doch durchringt, die
unbequeme Sache anzugehen, ist erstens erstaunt, dass die Vorstellung ärger war
als die Durchführung – und erlebt hinterher eine große Erleichterung.

Ziele haben immer mit der Zukunft zu tun. Sie rufen Planen hervor, das wir auf
unserem spirituellen Weg benötigen. Ziele, die eine menschliche Entwicklung
aufzeigen, brauchen kein konkretes Ende darzustellen; sie sollten eher die
Richtung zeigen und die benötigten weiter führenden Schritte.

Daher ist Ziele zu haben, Vorgangsweisen in Schritten zu kennen und sie konkret
zu planen, – der richtige Umgang mit der Zukunft. Nach dem Planen folgt dann die
Ausführung im gegenwärtigen Leben mit der FÜRSORGLICHEN WACHSAMKEIT.

Niemand, auch wir selbst, können Perfektion nicht von uns verlangen, weil
Perfektion dem Leben widerspricht, da die Vergänglichkeit, die Unvollkommenheit
und die Substanzlosigkeit als universelle Gesetzmäßigkeiten in Allem eine Rolle
mitspielen.

Also gibt es nichts weiter – als sich heilsam zu bemühen!

Das wünsche ich uns allen am Anfang dieses Jahres 2007

Eure Wegbegleiterin Ursula

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