VERZEIHEN – ABER WIE?
Enweder wird das Kapitel „Verzeihen“ sehr pauschal und allgemein behandelt oder
es ist eine große psychotherapeutische Aktion.
Ich versuche einmal meine unprofessionellen Gedanken zu diesem Thema
auszudrücken.
Aus Erfahrung habe ich bemerkt, dass Männer und Frauen mit Verletzen und
Verzeihen verschieden umgehen.
Warum ist das Eingestehen einer Schuld so schwer für Männer?
Da hat ein Mann seiner Frau oder seinen Kindern Unrecht getan. Er weiß es, aber
seine Gefühle von Ehre und Selbstwert lassen es nicht zu, dass er sich dazu
bekennt. Er erträgt es nicht, sich schuldig zu fühlen.
DAHER versucht er sein Vergehen zu versachlichen. Er holt Gründe für sein Tun
hervor und verallgemeinert die Sache.“Das machen doch alle“ oder „Du siehst das
zu kleinlich“, so könnte seine Rede lauten. Er will nicht zur
Selbstverantwortung gezogen werden. Vielleicht erklärt er seine Tat als
berechtigte Vergeltung für ein Fehlverhalten seiner Frau, seiner Kinder.
Vielleicht würde er zur Versöhnung sagen:
„Ich habe mich geirrt“ oder „So hatte ich das nicht gemeint!“
Das, was die Verletzten hören möchten: „es tut mir leid“, kommt den „Tätern“
sehr selten über die Lippen.
Wie gehen Frauen mit dem Eingeständnis von Schuld um?
Frauen berufen sich meistens auf ihre verletzten Gefühle, aus denen heraus sie
ihrem Partner ein Unrecht angetan haben. Wenn sie sich im weitesten Sinne
missbraucht und gedemütigt fühlen, sind sie zu folgenschweren
Vergeltungsaktionen bereit. Zuerst suchen sie meistens eine Aussprache und
hoffen, dass das Thema GEFÜHLE nicht ausgeklammert wird. Sie versuchen wieder
Frieden und Harmonie herzustellen und sind dafür auch bereit, sich zu ihrer
Schuld zu bekennen.
„Ich wollte dir nicht weh tun“ oder „es tut mir wirklich leid!“
oder „ich war so verletzt, ich konnte nicht anders“.
Vielleicht wird sogar versprochen, es nie wieder zu so einer Reaktion kommen zu
lassen.
Versöhnen
Männer bevorzugen oft eine sachliche Wiedergutmachung mit einem Geschenk,
Essengehen oder Sex.
Frauen wollen Erklärungen auf der emotionalen Ebene abgeben und auch hören und
sich erst mit dem Verstehen und Verstanden Werden zufrieden geben.
Was sagt Ihr zu dieser Ausführung?
Es ist meine nicht sehr fixierte Meinung, die aber auf einigen Erfahrungen
beruht.
Was ich von Männern sagte, kann genauso Frauen betreffen und umgekehrt.
Mit dem Vorgang des Verzeihens hat das Gesagte noch nicht viel zu tun.
Wie kann es stattfinden?
Psychotherapeuten wissen, dass es oft ein langer Weg ist.
Vergebung besteht in der Fähigkeit des Herzens, sich von vergangenen Schmerzen
durch einen Akt des Loslassens zu befreien.
Das halte ich für richtig, – aber wie macht man das?
In einer Zeitschrift wurde von fünf Schritten zum Verzeihen geschrieben und so
ähnlich möchte ich hier vorgehen:
1.) Warum will ich verzeihen?
Welche Vorteile bekomme ich dadurch?
Welche Schwierigkeiten behalte ich, wenn ich es nicht tue?
Was ist zu vergeben?
2.) Was hindert mich daran zu verzeihen?
Ist der zugefügte Schmerz zu groß?
Will ich den anderen mit meinem Groll bestrafen?
Habe ich das Gefühl, echt bleiben zu müssen?
3.) Habe ich eine freie Wahl?
Die Verletzung kann ich ja nicht aus der Welt schaffen.
Wie kann Verzeihen meinen Schmerz lindern?
Will ich die Möglichkeit versuchen und über meinen Schatten springen?
4.) Ich schreibe alles auf, was mir angetan wurde.
Ich beschreibe meinen Schmerz, meine Bedrückung und meine Ängste.
In einem Brief an den Verletzer, die Verletzerin, sage ich alles, was nie gesagt
wurde.
5.) Wenn ich zum Loslassen bereit bin,
werde ich ein Loslass – Ritual machen.
Dazu lade ich wenn möglich gute Freunde und Freundinnen ein.
Nach einem meditativen Gang in der Natur werde ich meine Briefe
und Notizen verbrennen und vergraben.
Ich kann das Papier auch zerreißen und in einen Fluss werfen
und schauen, wie schnell es davonschwimmt.
Wenn mir danach zumute ist, kann ich den Fetzen etwas nachrufen
oder auch singen.
Vielleicht sehe ich irgend etwas Gutes an der Sache und kann dafür danken.
Der Weg des Loslassens hat eine aktive Dynamik, die wir selbst bestimmen.
Dadurch können wir uns von der passiven Opferrolle befreien.
Sicher wird uns die Erinnerung an das Unrecht eine Zeit lang weiter begleiten,
aber wir leiden nicht mehr an dem Schmerz.
Aus der Sicht der buddhistischen Lehre sind wir immer wieder Täter und Opfer.
Wir verletzen andere Wesen und wir werden verletzt.
Beides müssen wir versuchen zu beenden.
Wie das für die Praxis empfohlen wird, möchte ich im nächsten Wegbegleiter
beschreiben.
Heute ist Ostern.
Ein Fest für Vertrauen und Freude am Neubeginn.
Dem können auch wir Buddhisten gerne zustimmen.
Mit viel Metta Eure Ursula
P.S. Psychologen und andere Kenner und Könner bitte ich jetzt schon um
Verzeihung,
dass ich zu simpel so ein komplexes Gebiet angegangen bin.
Was ich geboten habe stammt aus eigener Erfahrung.